Kommunikation – eine Frage des Glücks?

13.12.2023 Viola Buchmann und Paula Innerhofer

Die Unterzeichnung der Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) durch die Schweiz verpflichtet das Land zur Förderung von Teilhabe und Selbstbestimmung für Menschen mit Beeinträchtigung. Doch trotz dieser Verpflichtung bleibt der Zugang zur Unterstützten Kommunikation für Menschen mit eingeschränkter oder fehlender Lautsprache oft ein Glücksspiel. Was die Herausforderungen sind und wie ein nationales Netzwerk diesen begegnen will, erfahren Sie im nachfolgenden Artikel.

Die Schweiz hat sich mit der Unterzeichnung der Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) dazu verpflichtet, Menschen mit Beeinträchtigung Teilhabe und Selbstbestimmung zu ermöglichen. Dennoch hängt es immer noch von Zufall und Glück ab, ob Menschen mit eingeschränkter oder fehlender Lautsprache Zugang zu Unterstützter Kommunikation erhalten.

Was ist Unterstützte Kommunikation?

Wenn die Sprachentwicklung beeinträchtigt oder die Lautsprache schwer verständlich ist, dann bietet Unterstützte Kommunikation (UK) Alternativen an. Unterstützte Kommunikation erweitert die Lautsprache multimodal. Das bedeutet, dass zu den Lauten Mimik, Gebärden und das Zeigen auf Bilder und Bildsymbole als erweitere Kommunikationsformen hinzukommen. All diese analogen und digitalen Hilfsmittel ermöglichen den Betroffenen Aussagen auf sprachlicher Ebene zu machen. Auch helfen sie den Betroffenen Sprachkompetenz aufzubauen – eine Grundlage für das Lernen und für die Teilhabe an der Gesellschaft!

Doch damit alle Menschen, die Unterstützte Kommunikation benötigen, diese auch erhalten, stehen Betroffene und Institutionen immer noch vor grossen Herausforderungen. Wir zeigen Ihnen die drei wesentlichen Herausforderungen auf.

Herausforderung 1:  Fehlende Fachkompetenzen

Unterstützte Kommunikation (UK) ist bisher kein Pflichtfach in der Ausbildung von Fachpersonen der Sozialen Arbeit oder im Gesundheitswesen. Fehlende Kompetenzen müssen in Weiterbildungen oder mit Hilfe einer internen UK-Stelle angeeignet werden. Wird dies, zum Beispiel aus Ressourcengründen, nicht gemacht, fehlen spezifische Kompetenzen in der Kommunikation mit Menschen mit Beeinträchtigung. Auch fehlt das Wissen, wie unterstützende Kommunikationsformen aufgebaut werden können, die in allen Situationen funktionieren.

Die Institutionen und Schulen sind dazu angehalten, Unterstützte Kommunikation anzubieten und zu unterstützen. Aktuell wird dies aufgrund unterschiedlicher finanzieller und personeller Ausgangslagen sowie strategischer Schwerpunkte noch sehr unterschiedlich gehandhabt. Menschen mit Bedarf an Unterstützter Kommunikation haben ein Anrecht auf eine adäquate, individuelle und zeitgemässe Versorgung.

Herausforderung 2: Fehlende Informationen für Fachpersonen, Betroffene und Angehörige

Die Methoden der Unterstützten Kommunikation sind oft sehr individuell auf die Menschen mit Unterstützungsbedarf angepasst. So kann es sein, dass ein Kind mit bestimmten Gebärden kommuniziert, die nur von seinen nächsten Bezugspersonen verstanden werden. Bei jedem Personalwechsel besteht die Gefahr, dass das bereits aufgebaute UK-System zusammenbricht. Deshalb ist eine gute Dokumentation von zentraler Bedeutung. Wenn Menschen mit Bedarf an Unterstützter Kommunikation die Institution wechseln, ist es wichtig, dass ihre Art zu kommunizieren weitergegeben werden kann. Vor allem bei diesen Übergängen braucht es Wissen zur Unterstützten Kommunikation, Ressourcen in allen Bereichen sowie die Bereitschaft der Fachpersonen, dem Thema hohe Priorität einzuräumen.

Betroffenen und ihren Angehörigen fehlen oftmals die Informationen, dass es alternative Möglichkeiten zum Kommunizieren gibt und wie diese aufgebaut werden können. Es fehlen Anlaufstellen, an die sie sich bei Fragen oder Problemen wenden können. Schulen, Institutionen und Fachpersonen übernehmen diese Aufgaben nur teilweise, meist ohne über die dazu erforderlichen Ressourcen zu verfügen.

Herausforderung 3: Mangelnde Finanzierung

Eine weitere Herausforderung ist die Finanzierung. Die kantonalen Sozialversicherungen funktionieren sehr unterschiedlich. Teilweise übernehmen sie die Kosten und das Training für elektronische Kommunikationsgeräte, nicht jedoch für alle anderen alternativen Kommunikationsformen. Diese müssen die Betroffenen oder die Institutionen selber finanzieren.

Die Herausforderungen angehen: Das macht das Netzwerk UK-Schweiz

Um den oben genannten Herausforderungen zu begegnen, braucht es ein starkes Netzwerk, welches das Wissen weitergeben und politisch etwas bewegen kann. Deshalb wurde die Gruppe «Geballte Power für UK Schweiz» gegründet. Sie vereint regionale Netzwerke, Fachleute und Angehörige, Weiterbildungsanbietende und Hochschulen sowie Hilfsmittelanbietende mit dem Ziel, die Unterstützte Kommunikation schweizweit zu fördern und publik zu machen.

Die regionalen Netzwerke fördern den Wissensaustausch unter den Nutzenden, Angehörigen, Institutionen und Fachpersonen. Alle Kontakte sind zu finden unter UK-Netzwerke auf der Website zur UK Schweiz.

Im Mai 2023 hat die Gruppe die Petition «Eine Stimme für Menschen ohne Lautsprache» mit über 28.000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Die Petition fordert Massnahmen auf kantonaler als auch auf Bundesebene. Diese sollen Angehörige wie auch Fachpersonen und Dienststellen fachlich und finanziell unterstützen. Die Forderungen der Petition sind:

  • Unterstützte Kommunikation als fester Bestandteil von Ausbildungen
  • adäquate Bedarfserfassungsinstrumente
  • Leistungsfinanzierung, Casemanagement und effiziente Hilfsmittelversorgung
  • leistungserbringende Projekte für eine nachhaltige Versorgung

Das Thema Unterstützte Kommunikation ist in der Politik noch nicht sehr präsent. Mit der Petition ist ein erster Schritt getan, um dies zu ändern. Nun ist es wichtig, weiterhin für die Unterstützte Kommunikation einzustehen. Mit dem - in den letzten Jahren immer grösser gewordenen - Netzwerk an Nutzenden, Angehörigen, Fachpersonen und vielen weiteren Interessierten sind wir zuversichtlich, dass dies gelingen wird.

Besuchen Sie die Website von UK Schweiz!

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Viola Buchmann, MA

Schulische Heilpädagogin mit Schwerpunkt Pädagogik für Menschen mit geistiger Behinderung, CAS «Schwere Kommunikationsbeeinträchtigungen ¬ Unterstützte Kommunikation», arbeitet seit mehreren Jahren an der Fachstelle für Unterstützte Kommunikation am Heilpädagogischen Zentrum Hagendorn, leitet in dieser Funktion auch das UK Netzwerk Zentralschweiz, gibt u.a. Beratungen/Weiterbildungen/Workshops zu UK.
Kontakt: viola.buchmann@hzhagendorn.ch

Paula Innerhofer, MA

Schulische Heilpädagogin mit Schwerpunkt Pädagogik für Menschen mit geistiger Behinderung. CAS «Schwere Kommunikationsbeeinträchtigungen - Unterstützte Kommunikation», arbeitet seit mehreren Jahren an der Maurerschule in Winterthur, einer Schule für Kinder und Jugendliche mit Autismus, Körper- und Mehrfachbehinderung, ist Mitgründerin von UK-Glücksmomente, gibt u.a. Weiterbildungen/Workshops/Beratungen zu UK.
Kontakt: paula@uk-momente.ch

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