Wahrnehmungsschulung – ein Pilotprojekt

13.06.2018 Andrea Walther,
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Die Anzahl der Klienten mit Schwerpunkt Wahrnehmungsstörung steigt – nicht nur in unserer Schule. Fehlverhalten, Nervosität, Überreaktionen oder ähnliche Verhaltensmuster sind – neben weiteren Auffälligkeiten – alltäglich geworden. Ich stelle mir folgende Fragen: Wie nehmen sich die Schüler selber wahr? Wie spüren sie sich? Wie können sie den heutigen Anforderungen gerecht werden? Für mich ist die Eigen- und Fremdwahrnehmung eine wichtige Grundlage für emotionale Stabilität, Wohlbefinden und soziale Entwicklungsförderung.

Mit diesem Projekt möchte ich eine Plattform schaffen, mit der die Schüler ihre Wahrnehmung auf körperlicher, emotionaler und geistiger Ebene schulen können und sie dadurch bestmöglich in ihrer eigenen Entwicklung gefördert werden. In der Zwischenzeit gibt es belegte Studien, welche die Wirksamkeit von Entspannungs- und Wahrnehmungstechniken beweisen. Warum sollen wir diesen positiven Einfluss und die Veränderung in unserem Gehirn nicht ausnutzen? Wir versuchen es in diesem Projekt.

Eine Sequenz aus der Wahrnehmungsgruppe zum Thema Nähe und Distanz

Vier Schüler betreten den Gymnastikraum der Physiotherapie und dürfen es sich auf einer Matte in einer Position ihrer Wahl bequem machen. «Was machen wir heute? Wieder dasselbe Programm wie letztes Mal?» Das Thema «Nähe und Distanz» wählen die vier ausgewählten Probanden sehr gerne und ich möchte heute und auch in den folgenden Sequenzen dieses Thema vertiefen.

Jeweils zu Beginn möchte ich, dass sich die Schüler entspannen, runterfahren und die Konzentration durch bewusst tiefe Atemzüge auf sich und ihren Körper richten. Es ist toll mit anzusehen, welche Fortschritte sie in den letzten Wochen erzielt haben, wie sie sich auf sich selber einlassen können und sich nicht ablenken lassen. Sie setzen sich in einen Holzreifen und richten den Fokus auf sich, ihren Körper und den Raum um sie herum bis zum Reifen. Sie nehmen Privatsphäre, die Sicherheit bei sich zu sein, den eigenen Raum im und um den Körper und die Präsenz im eigenem Körper wahr.

Wir spielen bewusst und konzentriert mit Imaginationen: Wie fühlt es sich an, wenn eine Person zu nahe an mich herankommt, die ich mag oder nicht? Wie grenze ich mich ab? In welchem Umkreis fühle ich mich in meinem eigenen Körper sicher und wohl? Wie nahe darf ich mich meinem Gegenüber nähern? Hohe Konzentration ist angesagt, um den Fokus in diesen Übungen nur auf sich zu lenken.

Wir bilden den Abschluss dieser Sequenz mit nochmaliger Konzentration auf ein gutes Gefühl. Was bedeutet Glück für mich? Wann fühle ich mich glücklich? Wo spüre ich dieses Gefühl im Körper? Die Jugendlichen erzählen Momente und Situationen aus dem Leben und fühlen sich wohl.

Positive Zeichen sprechen für eine Fortsetzung

«Machen wir diese Übungen das nächste Mal wieder?» Ist diese Frage ein Zeichen für den positiven Effekt im Gehirn, diese Ausdehnung der grauen Substanz in der Hirnrinde, welcher für die Stressreduktion und Wohlbefinden verantwortlich ist und die Emotionen positiv reguliert?

Wir probieren es mit diesem Pilotprojekt an unserer Schule aus, mit vielen Inputs und verschiedensten Erfahrungen, mit Austausch und Anpassungen und mit direkter Umsetzung in schwierigen Situationen im Alltag. Wir hoffen auf positive Resultate und Feedbacks und wer weiss, vielleicht können wir das Projekt als festen Bestandteil in unserer Schule integrieren und fortsetzen.

Andrea Walther,
Physiotherapeutin, zeka, zentren körperbehinderte Aargau

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