Filmtipp: Hexenkinder

02.09.2020 Cornelia Rumo Wettstein,
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Eine unbeschwerte Kindheit als Menschenrecht und Ehrlichkeit von den Personen oder Organisationen, die dafür (Mit-)Verantwortung tragen. Das sind zwei der Wünsche der betroffenen Menschen, die im Film «Hexenkinder» die Geschichte ihrer Kindheit erzählen und bereit sind, ihre schmerzhaften Erfahrungen vor laufender Kamera zu teilen. Eine Kindheit von zwangsversorgten Kindern, die in einem Kinderheim aufgewachsen sind.

Ich sitze im Kinosaal, höre die Worte der Betroffenen, die schmerzhafte Bilder in meinem Kopf hervorrufen. Gleichzeitig ist der Film gefüllt mit wunderschönen Aufnahmen aus der Natur, welche in starkem Kontrast zum Gehörten stehen. Dem Filmmacher ist es gelungen, die Naturaufnahmen immer wieder als thematische Überleitungen zu den persönlichen Erzählungen zu nutzen. «Man hat uns versorgt – wie einen Besen». Dieser Satz hat mich seit dem Kinobesuch nie mehr ganz losgelassen. Die Behandlung der Kinder wie Gegenstände und nicht wie Subjekte mit einem Leben, einer Geschichte und Gefühlen tut weh.

Die Einsicht in die Akten bildet einen wichtigen Teil des Films. Die fünf Protagonisten und Protagonistinnen erhofften sich davon, vielleicht etwas über die eigene Biographie zu erfahren. Leider wurden sie enttäuscht. Die Akten sprechen nicht vom Menschlichen und den Gefühlen der erwähnten Personen. Die in den vorgelesenen Passagen auftauchenden Worte schmerzen die betroffenen Menschen auch im Nachhinein ebenso wie die damals erlebte Gewalt. So gelingt die Herstellung zum selbst Erlebten und der eigenen Geschichte nicht.

Der Staat hat sie versorgt. Anstatt für sie zu sorgen, hat er sie in kirchliche Institutionen gesteckt, die im Namen des Glaubens gequält, gefoltert und missbraucht haben. Der Austausch mit den Betroffen ist auch für die Archivare und Archivarinnen von grosser Bedeutung und verbunden mit einer intensiven Erfahrung: Die Akten werden zu Leben erweckt, ohne dem Erlebten gerecht zu werden.

Auf eindrückliche Weise zeigt der Film, wie sich die fünf Hauptdarsteller nicht haben brechen lassen. Ich habe mich unweigerlich gefragt, wie sie das geschafft haben.

Zum Film

Der äusserst beeindruckende Film kommt ab 17. September in die Deutschschweizer Kinos. Zurück