Adieu Kantonalverwaltung?

26.05.2021 Urs Anliker, Gesamtleitung Schulheim Schloss Erlach,
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Im Kanton Bern sollen per 1.1.2023 alle fünf kantonalen Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe aus der Kantonalverwaltung ausgegliedert und in selbständige Rechtspersönlichkeiten überführt werden. Dies sind das Schulheim Schloss Erlach, das Zentrum für Sozial- und Heilpädagogik Landorf Köniz-Schlössli Kehrsatz, das Jugendheim Lory, das Pädagogische Zentrum für Hören und Sprache Münchenbuchsee sowie die Beobachtungsstation (Beo) Bolligen. Ihre Angebote sollen sie künftig als privatrechtliche Stiftungen weiterführen. Warum ist das so?

Neue Transparenz

Am 1. Januar 2022 tritt im Kanton Bern das neue Gesetz über die Leistungen für Kinder mit besonderem Förder- und Schutzbedarf (KFSG) in Kraft. Betroffen davon sind 92 privatrechtliche Institutionen in der Kinder- und Jugendhilfe, welche stationäre Angebote anbieten, sowie die fünf vom Kanton selbst betriebenen Institutionen. Das Gesetz schafft einerseits Transparenz in der Angebotspalette und führt gleichzeitig eine leistungsbezogene Finanzierung und harmonisierte Aufsichtsrichtlinien ein. Für alle Institutionen gelten damit sinnvollerweise einheitliche Tarife und Qualitätsstandards.

Neue Finanzstrategie

Um gleiche Bedingungen zu schaffen, sollten die kantonalen Institutionen, die teils seit deutlich länger als hundert Jahren in drei kantonalen Direktionen angesiedelt sind, in privatrechtliche Stiftungen überführt werden. Hauptsächlich aufgrund der Pandemie wurde der Zeitpunkt der Ausgliederung um ein Jahr nach hinten verschoben und ist neu am 1. Januar 2023 vorgesehen. Somit haben die Institutionen und alle Beteiligten doch noch mehr Zeit für die Klärung von offen Fragen und die Auseinandersetzung bezüglich einer befriedigenden Angebots- und Finanzierungsstrategie. Dies ist auch nötig. So sind z.B. die Finanzierung des Unterhalts der Liegenschaften zu klären, Anstellungsbedingungen beim Personal auszuarbeiten, zukünftige Angebote festzulegen und rechtliche Grundlagen zu erstellen, um nur einige zu nennen.

Chancen und Risiken

Die Unabhängigkeit von der Kantonsverwaltung bietet zweifelslos viele Chancen, birgt aber auch Risiken und auf jeden Fall grosse Herausforderungen. Angebote können flexibler gestaltet und zeitnaher angepasst, gewisse Entscheide unabhängiger und schneller gefällt werden. Gleichzeitig fällt aber auch die staatliche Defizitgarantie weg, denn die neuen Stiftungen tragen nun allein die strategische und unternehmerische Verantwortung. Den Unterhalt der Liegenschaften müssen die Stiftungen in Zukunft selbst tragen. Dies ist nicht unerheblich, wenn man bedenkt, dass sich z.B. ein Teil des Angebotes des Schulheims Schloss Erlach in einem denkmalgeschützten Schloss befindet. Neben der Diskussion um eine nachhaltige Finanzierung steht daher auch ein allenfalls notwendiger Wechsel der Liegenschaften im Raum.

Der Grosse Rat entscheidet

Die Konzeptionsphase ist abgeschlossen, die Vorbereitungen für die Umsetzungsphase laufen auf Hochtouren. Der Regierungsrat hat am 10. März 2021 dem Ausgliederungsbericht und dem Kreditantrag in der Höhe von 107 Millionen Franken zuhanden des Grossen Rates zugestimmt. Der Kredit soll für die Kapitalisierung der Stiftungen (in Form der Liegenschaftswerte), die Beschaffung und Implementierung der IT, Rückstellungen für aufgelaufene Personalkosten und die Umsetzung der Projektarbeiten (Beraterhonorare) verwendet werden. In der kommenden Junisession wird der Grosse Rat über den regierungsrätlichen Antrag befinden. Möglich ist, dass der Rat den Kreditantrag durchwinkt, Änderungen in der Höhe vornimmt oder ihn gänzlich zurückweist.

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