Ein weit anerkannter Handlungsbedarf
In der Schweiz werden heute vier von zehn Kindern in Kinderkrippen, schulergänzenden Einrichtungen oder Tagesfamilien betreut. Eltern, die keine solche Unterstützung in Anspruch nehmen können, sind oft in ihren Möglichkeiten eingeschränkt eine Erwerbstätigkeit auszuüben, die ihren Bedürfnissen entspricht. Eine Realität, die auch für die Schweizer Wirtschaft ungünstig ist.
Das Projekt des Nationalrats ist gefährdet
Im Frühjahr 2023 hat der Nationalrat die parlamentarische Initiative 21.403 angenommen, die folgende Ziele verfolgt:
- Die finanzielle Belastung der Eltern an der familienexternen Kinderbetreuung soll reduziert werden.
- Vereinbarungen zwischen Bund und Kantonen sollen ermöglicht werden, um Angebotslücken zu schliessen.
- Die Qualität der familienergänzenden Kinderbetreuung soll verbessert werden.
- Die Betreuung von Kindern und Kleinkindern soll gefördert werden.
Das sind Ziele, die von ARTISET und YOUVITA begrüsst worden sind.
Ein heikles Finanzierungsmodell
Die Bildungskommission des Ständerats (WBK-S) stellt den vom Nationalrat vorgesehenen Finanzierungsmechanismus jetzt in Frage. Anstelle eines direkten Bundesbeitrags an die Betreuungskosten der Eltern will die WBK-S Arbeitgebende und Arbeitnehmer:innen zur Zahlung einer neuen «Betreuungszulage» heranziehen. ARTISET und YOUVITA nehmen einen solchen Finanzierungsmechanismus mit gemischten Gefühlen auf, da er die bisherige Unterstützung des Projekts durch die Sozialpartner gefährdet.
Und wie steht es mit der Qualität?
Für ARTISET und YOUVITA ist zudem wichtig, dass der Gesetzesentwurf – wie es der Vorschlag des Nationalrats vorsieht – eine Unterstützung der Qualitätsentwicklung von Betreuungsangeboten vorsieht. Die ständerätliche Bildungskommission will aber diesen Teil aus dem Vorschlag des Nationalrats streichen. Zu Unrecht, meinen ARTISET und YOUVITA.
Diverse positive Aspekte bleiben bestehen
ARTISET und YOUVITA begrüssen hingegen die Bereitschaft der WBK-S, folgende Punkte zu unterstützen:
- die Einführung von Programmvereinbarungen, um die Kantone und Gemeinden bei der Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze zu unterstützen
- die Entwicklung der Kleinkinder zu fördern
- die Betreuung von Kindern mit Behinderung näher zu unterstützen durch die Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze, aber auch durch die Senkung der Kosten für die Eltern.
Umfang der Bundesfinanzierung noch offen
Der Umfang der finanziellen Unterstützung durch den Bund ist in der WBK-S umstritten. Eine Mehrheit der Kommission will das Engagement des Bundes nicht nur durch eine Änderung des Finanzierungsmechanismus reduzieren. Stattdessen ist dies auch durch eine Begrenzung des Verpflichtungskredit auf 128 Millionen Franken während vier Jahre für Programmvereinbarungen zum Ausbau des Betreuungsangebots vorgesehen. Dieser Betrag liegt deutlich unter jenem, den der Nationalrat vorgesehen hat. Der Umfang der finanziellen Unterstützung stellt indes einen zentralen Punkt des Projekts dar: Wird er auf einen geringen Betrag reduziert, wird das Projekt ausgehöhlt.
Was es braucht
ARTISET und YOUVITA fordern, dass die folgenden Punkte des Entwurfs des Nationalrats beibehalten werden:
- ein Betrag von 20% der durchschnittlichen Kosten für einen familienergänzenden Betreuungsplatz zugunsten der Eltern
- eine finanzielle Unterstützung der Eltern bis zum Abschluss der obligatorischen Schulzeit der Kinder
- eine Finanzierung von 224 Millionen Franken über vier Jahre, um die Lücken im Bereich der familienergänzenden Betreuung zu schliessen
- ein Beitrag an die Kosten der Qualitätsentwicklung und eine Hervorhebung dieses Aspekts, da er auch im Entwurf des Nationalrats nur oberflächlich behandelt wird
- eine spezifische Unterstützung für Kinder mit Behinderung, wie auch die WBK-S es jetzt vorschlägt
Den Vorschlag des Nationalrats nicht aushöhlen
Bei der Lancierung des Gesetzesentwurfs hatten zahlreiche Akteure aus der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht. So auch ARTISET und der Branchenverband YOUVITA. Diese breite Unterstützung, die das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft und auch des Nationalrats ist, sollte nicht leichtfertig über den Haufen geworfen werden.
ARTISET und YOUVITA sind nicht grundsätzlich dagegen, dass einzelne Aspekte der Vorlage neu diskutiert werden. Doch die Grundzüge der Vorlage sind aufrecht zu erhalten: Es muss eine wirksame Unterstützung des Bundes für eine qualitativ hochstehende familienergänzende Betreuung für alle Familien, die darauf angewiesen sind, geschaffen werden.
Parlamentarische Initiative: 21.403 Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung
Medienmitteilung: WBK-S schickt Anträge zur KITA-Vorlage in die Vernehmlassung | WBK-S vom 16. Februar 2024