«Allein hätte ich das nicht geschafft.»

08.06.2023 Daniela Martin

In diesem Interview berichtet Rosa von ihren Erfahrungen während des Übergangs vom Wohnheim Varnbüel in die Aussenwohnung. Wie sie zogen fünf weitere Jugendliche im letzten Jahr in Aussenwohnungen. Für alle war es ein grosser und einschneidender Schritt.

Für sechs Jugendliche fanden im Jahr 2022 grössere, einschneidende Übergänge statt – nämlich der Übertritt vom Wohnheim in die Aussenwohnung. Im ersten Interview berichtete Emma von ihren Erfahrungen.

Hier berichtet nun Rosa. Sie ist 20 Jahre alt und hat 10 Monate im Wohnheim Varnbüel gelebt.

Wie geht es dir seit deinem Umzug in die AWG? Was hat sich verändert im Gegensatz zum Leben im Wohnheim?

Es geht mir gut. Es hat sich vieles verändert nach meinem Umzug in die Aussenwohnung. Hier lebe ich allein, ohne jeden Tag Sozialpädagog:innen um sich herum zu haben. Die gewohnten Abläufe, wie zum Beispiel der Ämtliabend, fallen weg. Im Heim war immer jemand da, viele Jugendliche und das Team. In der Wohnung ist es hingegen sehr ruhig. Man muss selbständig putzen, kochen und einkaufen. Alles muss man selber erledigen und man muss mehr Verantwortung übernehmen.

Was hat dir beim Übertritt Sicherheit gegeben?

Mir gab es Sicherheit, dass ich genügend Unterstützung hatte bei der Planung, beim Umzug und beim Aufstellen meiner Möbel. Allein hätte ich das nicht geschafft.

Hast du auch Hausforderungen beim Übertritt erlebt?

Die erste Woche habe ich ohne Mitbewohnerin allein in der Wohnung verbracht. Meine Mitbewohnerin ist erst eine Woche später eingezogen. Das war für mich sehr ungewohnt und im Nachhinein auch schwierig. Im Allgemeinen ist das Alleinsein für mich eine Herausforderung. Es ist gut, dass man in der Aussenwohnung immer eine Ansprechperson hat, tagsüber die Bezugsperson und am Wochenende und nachts das Wohnheim.

Welche Faktoren waren für dich beim Übertritt vom Wohnheim in die Aussenwohnung hilfreich?

Es war gut, dass ich am Anfang telefonisch geweckt wurde. Ansonsten wäre es mir schwergefallen, für die Arbeit rechtzeitig aufzustehen.

Wie erlebst du die Unterstützung in der Aussenwohnung im Vergleich zum Wohnheim?

Im Wohnheim empfand ich die Unterstützung teilweise zu viel. Manchmal war es für mich überfordernd, wenn mich zu viele Leute unterstützten. Der Vorteil in der Aussenwohnung ist, dass man vieles selbst entscheiden kann. Es gibt eine gute Balance zwischen Selbständigkeit und Unterstützung. Und ich kann immer jemanden anrufen, wenn es etwas Wichtiges gibt.

Inwiefern bist du seit deinem Umzug in die Aussenwohnung selbständiger geworden?

Ich kann mich jetzt selbständig um meinen Haushalt kümmern, zum Beispiel Putzen und Kochen. Und ich kann auch Verschiedenes allein erledigen. Ich kann jetzt meine Meinung viel besser äussern. Ich habe Ziele und klare Zukunftsvorstellungen. Ich kann besser sagen, was ich will und was ich nicht will. Ich habe mich weiterentwickelt und schlechte Gewohnheiten abgelegt.

Was denkst du, brauchst du beim Austritt aus der Aussenwohnung?

Eine Ansprechperson, die auch nach meinem Austritt für mich da ist. Zum Beispiel für die Steuererklärung, für medizinische Angelegenheiten und für die Begleitung zu ganz wichtigen Terminen.


Das Interview führte Daniela Martin. Sie arbeitet im Wohnheim Varnbüel in St. Gallen, wo Jugendliche und junge Erwachsene vorübergehend ein Zuhause finden. Die ausgebildete Sozialpädagogin ist stellvertretende Organisationsleiterin und verantwortlich für das Angebot «Aussenwohnung». Jeweils zwei junge Menschen leben gemeinsam in einer 3-Zimmerwohnung. Sie werden von einer Fachperson in ihrem Zusammenleben und auf dem Weg in die Selbständigkeit begleitet.
 

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